Samstag, 5. November 2016
So Krank
http://magazin.spiegel.de/SP/2016/45/147714803/index.html

Ein Polizist, dem ein Mensch mit Waffe gegenübersteht:
"Ste­phen Ma­der ver­such­te, gleich­mä­ßig zu at­men, den Zei­ge­fin­ger am Ab­zug still zu hal­ten, er sag­te: „Ich wer­de dich nicht tö­ten, Bru­der.“ Mit ru­hi­ger Stim­me for­der­te er den Mann auf, die Waf­fe fal­len zu las­sen und die Arme über den Kopf zu neh­men, wie­der und wie­der, aber Wil­li­ams re­agier­te nicht. Er nahm schließ­lich, wie zum An­griff, nur die Hand mit der Pis­to­le hoch."

Der Mensch wird von einem anderen Beamten erschossen, der besonnene Polizist entlassen- wegen Feigheit.

Da arbeitet ein Polizist hoch professionell und zum Dank dafür wieder entlassen. Was für eine komische Berufsauffassung: erst einmal das Gegenüber erschießen und dann Begründungen dafür finden, warum der Einsatz der Waffe rechtmäßig sein könnte. Welch eine groteske Missachtung zentraler Bürgerrechte.
Der Polizist Mader hat das gemacht, was man von einem guten Beamten erwarten dürfte, auch wenn es leider so selten geschieht. Eine möglichst präzise Erfassung einer Gefahrenlage und eine angemessene Reaktion darauf.
"Ste­phen Ma­der sagt, dass er vier­mal auf Ta­li­ban ge­schos­sen habe, aber er sagt auch, dass er in die­sen Ein­sät­zen ge­lernt habe, Men­schen sehr ge­nau zu be­ob­ach­ten, mög­li­che Be­dro­hun­gen ein­zu­schät­zen, selbst un­ter größ­tem Stress die Ruhe zu be­wah­ren." Beide Zitate aus dem SPIEGEL 46/16.

Kein Wunder, dass es in den vereinigten Staaten immer wieder zu Schusswaffengebrauch kommt, den man in einer großen Zahl von Fällen als rechtswidrig bezeichnen muss, meist bei dem Gebrauch der Schusswaffe eine falsche Einschätzung der Situation zu Grunde liegt.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Dienstag, 18. Oktober 2016
Niederlage für die Menschenwürde
Die Ergebnisse sowohl in Deutschland als auch in Österreich sind ganz eindeutig. Über 80 % der Zuschauer entscheiden sich gegen die Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts und plädieren für einen Freispruch des Piloten.
Mit der Menschenwürde, die am Beginn des Grundrechtskatalogs steht, kann man seine Not haben, weil dieser Grundsatz absolut gelten soll. Kein wie auch immer geartetes Argument soll erlauben, die Menschenwürde zu beeinträchtigen. Dieser juristische Rigorismus-fiat justita,pereat mundus- Schaft immer wieder Problemlagen. Oftmals werden sie dadurch gelöst, dass die Rechtsposition nicht als Bestandteil der Menschenwürde angesehen wird. Schon länger haben sich Tendenzen in der Rechtswissenschaft ausgebreitet, die Menschenwürde relativieren zu wollen. Einige Juristen haben sich dafür ausgesprochen, der Tat verdächtige auch foltern zu dürfen, wenn es um das erhalten von Leben unschuldiger geht. Allerdings hat die Rechtsprechung diesen Tendenzen einen Riegel vorgeschoben: im Entführungsfall des Bankier – Sohnes wurde die Folterandrohung des Polizeivizepräsidenten als unzulässiger Eingriff in die Menschenwürde des Verdächtigen angesehen. Würde man einen derartigen Fall zur Diskussion stellen, könnte man davon ausgehen, dass ähnlich hohe Zahlen den Täter freisprechen würden.
Auch nach fast 70 Jahren Grundgesetz ist der wichtigste Wert dieses Grundgesetzes nicht in Fleisch und Blut übergegangen. In der Tat schwächen Grundrechte und erst recht der Wert der Menschenwürde staatliche Einsatzmöglichkeiten. Das genau unterscheidet den Rechtsstaat von einer Diktatur, die von allen rechtlichen Fesseln frei ist. Das Argument der Verringerung staatliche Effizienz darf also diesen Grundwerten nicht entgegengehalten werden allerdings gibt es extreme Situationen, in denen erhebliche Spannungslagen auftauchen.
Es ist nicht nur ein bemerkenswertes, sondern auch ein erschreckendes Ergebnis, dass eine breite Mehrheit in der Bevölkerung bereit ist, absolute Prinzipien zu relativieren. Sicher ist dieser Mehrheit gar nicht bewusst, dass mit solchen Entscheidungen Schleusen geöffnet werden, die, wenn sie erst einmal offen sind kaum noch geschlossen werden können. Wenn Folter ein zulässiges staatliches Mittel ist, wird es keine Chance geben, dieses staatliche, dann zugelassene Mittel rechtlich einzulegen; im Gegenteil: staatliche Organe könnten sich einer strafrechtlich relevanten Unterlassung schuldig machen, wenn sie die dann rechtlich erlaubte Folter nicht einsetzen, um Gefahren abzuwehren. Wie weit soll diese Folter gehen. Wen trifft diese Folter? Eine Fülle höchst problematischer Ergebnisse wird es dann geben.
In der Verhandlung sagt der Pilot, er halte die Entscheidung des Verfassungsgerichts für falsch und habe sich deswegen anders entschieden. Juristisch ist die Lösung gar nicht so schwierig: der Pilot ist an die Entscheidung gebunden, er darf sich nicht über das Verfassungsgericht stellen. Damit begeht er ein Dienstvergehen und eine Straftat. Moralisch ist die Diskussion damit natürlich nicht zu Ende.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Freitag, 7. Oktober 2016
Schande
Heute hat das höchste deutsche Zivilgericht, derBGH, entschieden, dass es keinen Amtshaftungsanspruch gegen Amtsträger geben kann, wenn diese militärische Entscheidung treffen. Damit wird der militärische Bereich aus der Herrschaft des Rechts ausgenommen. Mehr als traurig, so etwas von hohen Juristen lesen zu müssen. Auch wenn es faktisch so ist, dass Krieg fast eine rechtsfreie Zone darstellt und Soldaten bei kriegerischer Tätigkeit so gut wie nie zur Rechenschaft gezogen werden, wenn nicht die Gewinner eines Krieges über sie richten, ist dies angesichts einer Werteordnung, die die Menschenwürde und die Grundrechte von Menschen an die Spitze der Verfassung stellt ein ganz trauriger Sachverhalt. Natürlich werden Rechte von Menschen durch kriegerische Handlungen immer wieder verletzt, umso mehr, wenn es sich nicht um Beteiligte kriegerische Handlungen handelt.
"in einer Gemengelage aus Gefahr, Zeitdruck und Informationsmangel getroffen werden müssen. Soldaten müssen in existenziellen Situationen einen Entscheidungsspielraum haben." Meint Wolfgang Janisch in einem Beitrag heute in der SZ.
Ohne Zweifel waren die kriegerischen Lagen 2009 in Afghanistan hoch gefährlich. Wenn man aber über das Leben einer Vielzahl von Personen zu entscheiden hat, die nicht unmittelbar in kriegerische Aktionen verwickelt sind, kann dies doch nicht von der bestmöglichen Präzision bei der Entscheidungsfindung dispensieren. Dafür schließlich wird ein Soldat, speziell eine Führungskraft doch geschult: in kriegerischen, gefährlichen und unübersichtlichen Situationen die bestmöglich vernünftige Entscheidung zu treffen. Wie wahrscheinlich war es, dass Fahrzeuge, die festgefahren waren, sich zu einem unmittelbaren Angriff auf das deutsche Lager wieder in Marsch setzen konnten? Selbst wenn, was ja ganz falsch war, sich an den Lastwagen nur Taliban Kämpfer befunden hätten, was sollten sie gegenüber dem deutschen Lager ausrichten, dass 7 km entfernt war. Oftmals sind selbst bei höheren Amtsträgern ihrer Entscheidungen eher von den Ängsten als von vernünftigen Einsichten geprägt. Angesichts der Rechtsgüter, die hier infrage stehen. halte ich dies für komplett unzulässig.

Dass der BGH ein Anspruch a limine abweist, ist nicht nur mit der Werteordnung der Verfassung kaum vereinbar, sondern auch moralisch höchst fragwürdig. Man weiß ja inzwischen, dass die Lageeinschätzung des Oberst falsch war und es ist rein zynisch, trotz dieser Erkenntnis alle Ansprüche abzuweisen.
Eine Schande.

... link (0 Kommentare)   ... comment