Dienstag, 18. Oktober 2016
Niederlage für die Menschenwürde
Die Ergebnisse sowohl in Deutschland als auch in Österreich sind ganz eindeutig. Über 80 % der Zuschauer entscheiden sich gegen die Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts und plädieren für einen Freispruch des Piloten.
Mit der Menschenwürde, die am Beginn des Grundrechtskatalogs steht, kann man seine Not haben, weil dieser Grundsatz absolut gelten soll. Kein wie auch immer geartetes Argument soll erlauben, die Menschenwürde zu beeinträchtigen. Dieser juristische Rigorismus-fiat justita,pereat mundus- Schaft immer wieder Problemlagen. Oftmals werden sie dadurch gelöst, dass die Rechtsposition nicht als Bestandteil der Menschenwürde angesehen wird. Schon länger haben sich Tendenzen in der Rechtswissenschaft ausgebreitet, die Menschenwürde relativieren zu wollen. Einige Juristen haben sich dafür ausgesprochen, der Tat verdächtige auch foltern zu dürfen, wenn es um das erhalten von Leben unschuldiger geht. Allerdings hat die Rechtsprechung diesen Tendenzen einen Riegel vorgeschoben: im Entführungsfall des Bankier – Sohnes wurde die Folterandrohung des Polizeivizepräsidenten als unzulässiger Eingriff in die Menschenwürde des Verdächtigen angesehen. Würde man einen derartigen Fall zur Diskussion stellen, könnte man davon ausgehen, dass ähnlich hohe Zahlen den Täter freisprechen würden.
Auch nach fast 70 Jahren Grundgesetz ist der wichtigste Wert dieses Grundgesetzes nicht in Fleisch und Blut übergegangen. In der Tat schwächen Grundrechte und erst recht der Wert der Menschenwürde staatliche Einsatzmöglichkeiten. Das genau unterscheidet den Rechtsstaat von einer Diktatur, die von allen rechtlichen Fesseln frei ist. Das Argument der Verringerung staatliche Effizienz darf also diesen Grundwerten nicht entgegengehalten werden allerdings gibt es extreme Situationen, in denen erhebliche Spannungslagen auftauchen.
Es ist nicht nur ein bemerkenswertes, sondern auch ein erschreckendes Ergebnis, dass eine breite Mehrheit in der Bevölkerung bereit ist, absolute Prinzipien zu relativieren. Sicher ist dieser Mehrheit gar nicht bewusst, dass mit solchen Entscheidungen Schleusen geöffnet werden, die, wenn sie erst einmal offen sind kaum noch geschlossen werden können. Wenn Folter ein zulässiges staatliches Mittel ist, wird es keine Chance geben, dieses staatliche, dann zugelassene Mittel rechtlich einzulegen; im Gegenteil: staatliche Organe könnten sich einer strafrechtlich relevanten Unterlassung schuldig machen, wenn sie die dann rechtlich erlaubte Folter nicht einsetzen, um Gefahren abzuwehren. Wie weit soll diese Folter gehen. Wen trifft diese Folter? Eine Fülle höchst problematischer Ergebnisse wird es dann geben.
In der Verhandlung sagt der Pilot, er halte die Entscheidung des Verfassungsgerichts für falsch und habe sich deswegen anders entschieden. Juristisch ist die Lösung gar nicht so schwierig: der Pilot ist an die Entscheidung gebunden, er darf sich nicht über das Verfassungsgericht stellen. Damit begeht er ein Dienstvergehen und eine Straftat. Moralisch ist die Diskussion damit natürlich nicht zu Ende.

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