Freitag, 6. September 2013
Der Schein regiert die Welt
Gerechtigkeit ist nur auf der Bühne, meinte einst Friedrich Schiller. Gestern diskutierte Scobel mit Gäste das Bild der Deutschen,Fremd-und Selbstbild.

Ordnungssinn und Normentreue wurden immer wieder genannt. Der ehrbare Kaufmann, der zuverlässige Handwerker.

Was für Schimären.

Wo man hinschaut, moralfernes Verhalten ist die Regel, irgendwie seinen eigenen Vorteil sichern, immer erst an die eigenen Belange denken, das ist doch das Normale.

Kleines Beispiel von heute: ein Arzt moniert eine Untersuchung, die sehr klar einen Befnd zeigt, aber von ihm nicht verordnet war und verhindert , dass er nun eine eigene Untersuchung machen kann. Tief ins Verhalten eingeprägt: meine eigenen Interessen sind zentrales Motiv.

Überall findet man solche Verhaltensweisen. Vr Jahren gab es eine Serie bei RTL,mit verdeckter Kamera betrügerische Handwerker, Schönheitschirugen und andere zu enttarnen. Die meistens gingen nicht vor die Kamera,als sie überführt waren. Die Kammern und Verbände, in denen sie zusammengeschlossen waren, sagten unisono:schwarze Schafe.Wir arbeiten ordentlich.

Jeden Tag werden eine solche Unzahl von Fehlverhalten aufgedeckt, dass man vollkommen abstumpft. Welche Sau wird morgen durchs Dorf getrieben?
Diejenigen, die nicht abstumpfen, die das Leid empfinden, das durch Fehlverhalten herbeigeführt wird, können verzweifeln. Werden teilweise radikal, selbt mörderisch.
Dass eine Kluft zwischen Sein und Sollen gibt, ist dem Juristen nicht neu. Normalerweise interessiert er sich dafür nicht und bleibt in der sicheren Zone des Sollens. Wer die Kluft als belastend empfindet, könnte zynisch werden und so überleben. Eher wird die reale Situation ausgeblendet und erreicht das Gewissen nicht. Als vor wenigen Tagen das Kundus-Drama nochmals diskutiert wurde, mutmaßte man, der Oberst,inzwischen General, sei durch diese Tat für das Leben gestraft. Das kann sein, muß aber sicher nicht so sein. Harald Welzer hat sich mit der Psyche von Tätern befasst und festgestellt, wie selbst erhebliche Grausamkeiten wegverarbeitet können und man einfach damit weiterlebt. Ebbo Demant befragte vor vielen Jahren kleine Chargen von Auschwitz, deren man hafthaft geworden war und die vor der Verurteilung ein ganz normales Leben geführt hatten. Ihr Taten hatten sie vollkommen ausgeblendet. Einer, der tausende zu Tode gespitzt hatte und das erzählen sollte, sagte dann: sie tun mich aber quälen...und lächelte.

Kann man das tagtägliche Elend, Fehlverhalten überhaupt verarbeiten,ohne daran zu zerbrechen?

Derjenige, der Gerechtigkeit in der Welt herstellen will, endet leicht als ein Michael Kohlhaas.

Aber wie soll es gehen?

Eine meiner Lieblingsstorys aus Japan: eine kleine Taube sieht einen brennenden Wald, Menschen brennen, Tiere brennen, grauenhaft. Was macht sie?
Sie fliegt zum nächsten See, wässert das Gefieder,schüttelt es über dem Wald aus, das ein Leben lang,dann stirbt sie.

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