Donnerstag, 8. Mai 2014
Regelungs-WUT
"Deutschland, gelähmt von all den Verordnungen aus Berlin und Brüssel? Von wegen. Die vielen Vorschriften erleichtern unser Leben. Plädoyer für einen anderen Blick auf die Bürokratie" heute in der ZEIT
Die Kritik an Übernormierungen ist nicht neu:

Früher litten wir an Verbrechen, heute an Gesetzen.meinte Tacitus. Nicht eben gestern ausgesprochen.

Wir Deutschen leben in einem Rechts-Staat. Recht,Gesetze haben eine überragende Bedeutung. Juristen,nämlich Richter, haben das verfassungskräftig festgeschrieben. Alle wichtigen Fragen müssen vom Gesetzgeber entschieden werden.Durch Gesetze eben.

Die Autoren bringen jede Menge Beispiele, in denen der Durchschnttsbürger nach Gesetzen ruft: ungezähmte Finanzmärkte ebenso wie ungesichtere Grabsteine.
"Nur wenn etwas schiefgeht, eine Norm fehlt oder nicht greift, ist das Geschrei groß. Oder jubelte jemand über die inzwischen legendären, nicht normierten Handystecker? Über die wunderbare Freiheit der Netzteile? Alle fragen verärgert: Warum hat jedes Mobiltelefon ein anderes Ladegerät?" so nochmals die Autoren in der ZEIT.

Die Bedeutung von Normen hat mich ein langes Berufsleben beschäftigt. Je älter ich wurde desto norm-kritischer. Die Theorie: Recht ist die Grundlage des Zusammenleben im demokratischen Rechtsstaat verstehe ich.
Aber durch die Erfahrung weiß, dass die Idee fiat justitia pereat mundus einfach nicht stimmt.

Gestern lief die Sendung zur Spiegel-Affäre, 1962. Dazu passt gut der Spruch von Adenauer: "Natürlich achte ich das Recht. Aber auch mit dem Recht darf man nicht so pingelig sein."
Net so pingelich. So wird häufig mit dem Recht umgegangen, wenn "wichtigere" Interessen im Spiel sind.
Die Welt wird nicht durchgängig von Juristen bestimmt,auch wenn sie eine Mehrheit in Parlament und Verwaltung stellen.

Juristen arbeiten im Bereich des Sollens,von dem des Seins haben sie oft weniger Ahnung. Und sie erliegen dem Irr-Glauben ein Problem sei gelöst,wenn eine Norm erlassen ist.

Angesichts der Überfülle der Normen ohnehin eine Illusion:"Auf EU-Ebene gibt es 21.391 Rechtsakte, also Verordnungen und Richtlinien. In Deutschland gelten 1.681 Bundesgesetze und ein Vielfaches an Landesgesetzen. Hinzu kommen 2.711 Bundesverordnungen und ein Vielfaches an Landesverordnungen." und" Rund 30.000 Deutsche arbeiten an der Herstellung, Verfeinerung, Überprüfung und Abschaffung von Normen. 70 Normenausschüsse halten Ausschau nach Regelungsbedarf und schaffen Abhilfe im Verbund mit Herstellern, Händlern, Verbrauchern und Ämtern. Selbst das Verfahren der Normierung ist normiert – nach DIN 820. Dies alles geschieht im Stillen."

Selbst für Spezialisten eine Überforderung.

Wenn ich an die eigene Berufslaufbahn denke: in den dreißig Jahren sind so viele Normen hinzugekommen, dass selbst bei einer gewisen Spezialisierung kaum ein Durchblick denkbar war.

So haben wir den paradoxen Befund, dass viele Normen vorhanden sind, aber wegen der Fülle weniger bewirken können. Hinzu kommt, dass der Normbefolgungswile deutlich gesunken ist. Am Beispiel aus dem Artikel:"Ampeln genießen deutlich mehr Respekt. Rot ist Rot. Aber hier scheint die Regeltoleranz nach Verkehrsmittel gestaffelt zu sein. Autofahrer halten immer" Großer Irrtum. Die Autofahrer halten nur, wenn sie sich überwacht fühlen oder die Ampel schon länger auf Rot steht. Aber rüberwitschen ist heute Standard.

Es ist nicht nur die rote Ampel,sondern die Autorität des Staates.Es ist keine Jammerei von Polizisten, immer mehr selbstverständlichen Widerstand festzustellen.Normen haben einen geringen Geltungsgrad.In der Polizei selbst auch: einen Kollegen anzuzeigen, macht man auch dann nicht,wenn das Unterlassen eine Strafvereitelung darstellt. Kein "Kameradenschwein" zu sein ist eine stärkere Motivation als die Norm.

Die Menschen reagieren auf Normen nur, wenn ihnen er Sanktionsdruck präsent ist. Der Forscher Kohlberg nannte dies eine untere moralische Stufe.
Kein Wunder, dass im Straßenverkehr soviel Normwidriges passiert. Im Angesicht der Kamera wird gebremst, danach geheizt.

Es ist vieles zwischenmenschlich Klärungsbedürftig Je weniger eine Einstellung vorhanden ist, auf andere zu achten, desto mehr Überlegungen notwendig, wie das gute Miteinander geschieht.

Juristen meinen, durch Normen.

Ich glaube, das ist eine Illusion und stellt zugleich eine Entlastung, sich mit anderen Maßnahmen nicht beschäftigen zu müssen, wie zB der Bildung. Maßnahmen, die aufwendig und komplex sein können und nicht so schnell vonstatten gehen wie der Erlaß einer Norm.

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Mega-Betrieb
Gestern bei Plasberg bearbeiteten sich wieder einmal Progagoniten eines Multi-Milliarden-Betriebs: der Medizin.
Der Funktionär, der Ärztepräsident, ein Klinikbetreiber, eine Ministerin( Senatorin),ein Patientenanwalt.

Jeder hat seine Interessen, teilweise millionenschwer, und haut jeweils auf den anderen.

Ein wenig naiv, im Medizinbetrieb ethische Grundsätze des Heilens zu erwarten, wo überall doch aufs Geld geschielt wird.

Es ist doch klar, dass das Geld eine entscheidende Rolle spielt: am eigenen Leibe eben erfahren.Eine OP ist notwendig,dringend notwendig. Wenn sie gut bezahlt wird ( Privatpatient) innerhalb von zwei Wochen, wenn es eine Regelleistung ist sieben Wochen weitere Qual angesagt.

Wer als Privatpatient seit Jahrzehnten immer die Rechnungen des Medizinbetriebs sieht,weiß, dass dort wo nichts eng reguliert ist, der Erwerbstrieb und nicht der Heilungswille vorherrscht.

Diesen Befund können nur Ideologen leugnen.

In welchem Umfang der Ewerbstrieb sogar gegen die Heilung steht, ist noch streitiger. Unnütze Untersuchungen, solche, die sogar das körperliche Unbehangen steigern können, sind nicht ausgeschlossen.

Eine weitere Frage ist die Effizienz dieses so unglaublich teuren Systems. Bei Plasberg trat ein Geschundener auf, der nach über sechzehn Operationen keinesfalls geheilt ist,als ehemaliger Sportler kaum des Gehens mächtig.

Am eigenen Leibe erlebe ich, dass man,sobald es kein Normalfall ist, in die Mühle kontroverser Meinungen gerät,denen es nicht darum geht, wie der Patient geheilt wird, sondern,ob man Recht behält in diesem Streit. Und mit ungläubigen Erstaunen muß ich feststellen, wie wenig ein Arzt vom Schmerz versteht der doch sein tägliches Geschäft ist und dem nichts anderes einfällt, als eine andere Pille zu empfehlen.

Sonja Mikich hat aufgrund eigener Erfahrung eine Philippika gegen diesen Betrieb geschrieben.

Ich kann das gut nachvollziehen:im Kommentar dazu liest man: " Das Buch spiegelt genauso mein Krankenhaus Aufenthalt wieder, oh Gott vergib uns und erlöse uns von diesen Ärzten. Nochmals vielen dank an die Pflegerinnen und Pfleger. Man kann nur noch hoffen und beten nicht ernsthaft krank zu werden in diesem Land. Kein Wunder, dass sich viele Menschen alternativen Heilformen zuwenden. Nicht einmal weil sie sich Heilung versprechen sondern weil sie sich zum ersten Mal als Mensch wahrgenommen fühlen und Ihnen Zeit geschenkt wird. "

Die Leidenden( Patienten) sollten wohl mehr die Möglichkeiten des Internets nutzen, nachhaltig auf die Mißstände hinzuweisen.

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