Donnerstag, 5. Dezember 2013
Krebs
" Ganz einfach. Es war Ende September, da wachte ich eines Sonntagmorgens auf und hatte Schluckbeschwerden. Das wurde immer schlimmer. Am nächsten Tag bin ich zu meiner Ärztin gegangen, die mich dann zu einer radiologischen Untersuchung geschickt hat, gleich am selben Tag noch. Es war eine Jugularis-Thrombose, die Thrombose einer Halsvene. Die wollten, dass ich sofort ins Krankenhaus gehe. Aber ich habe zu Hause erst einmal im Internet nachgeschaut, was eine Jugularis-Thrombose genau ist. Da stand, dass es in manchen Fällen, nicht so häufig, ein Zeichen für einen bösartigen Tumor ist. Ich dachte: "Na ja, wird wohl in meinem Fall nicht so sein." sagt Helmut Dietl im Interview mit der ZEIT.

Es ist Krebs.

Er macht keine Chemo-oder sonstige Therapie. " : Es war furchtbar, ein Skelett, Schläuche an allen Ecken und Enden. Ich möchte, dass gerade die Kleine mich niemals so sieht. Weil das Eindrücke sind, die ein Leben lang bleiben, die sind traumatisch. " so seine Erfahrung mit seinem Vater.

Heute steht in der ZEIT, so reagieren die wenigsten. Die meisten ergreifen jeden Strohlhalm, und verlängert er das Leben gar nicht oder kaum und macht das Leben zu einem elenden.

Sehr radikal ging Ivan Illich mit seinem Krebs um."....erzählt von den Metastasen, die er hat, besonders am Rückgrat, was Anfälle und Schmerzen auslöst, und fügt dann beruhigend hinzu, dass es jetzt aber gut ist und er die Dinge wieder in der Hand hat.Seinen Krebs will er sich nicht schlecht machen lassen von der Schulmedizin, er sagt sanft:
"Ich bin nicht krank, das ist keine Krankheit. Es ist ein vollkommen anderes, viel komplizierteres Verhältnis."

Ivan Illich lebte ohne weitere Behandlung 21 Jahre mit dieser Krebs-Variante,bei starken Schmerzen durch Opium erleichert.

Ein anderer war Peter Noll.

"Peter Noll erklärt daraufhin, einer Operation auf keinen Fall zustimmen zu wollen, Noll “… wählt die Metastase statt der apparativen Hinauszögerung des Todes“:“… ich erkläre, dass ich einer solchen Operation unter keinen Umständen zustimmen würde. … Ich stosse wieder auf eine von meinen Eigenschaften, die mir eigentlich längst vertraut sein sollte. Obwohl eher Zweifler und Zögerer von Natur aus, neige ich zu brüsken, schnellen und radikalen Entschlüssen in Krisensituationen, die mich selber betreffen. “

Zum Motiv von Noll. "Ständig wird etwas mit ihm gemacht, doch nie auf Grund seiner eigenen Entschlüsse, sondern immer auf Grund von diagnostischen oder therapeutischen Erwägungen der Ärzte oder ganz einfach wegen der Organisation des Betriebs."
In diese Situation will der Individualist nicht kommen; er will die "Rolle des Gesunden und des Normalen" so lange als möglich einnehmen, dabei wohl wissend, "todkrank, aber eben nicht Patient" zu sein. Zweifelsohne wertet Noll die persönliche Handlungsfreiheit wie Montaigne als ein sehr hohes Gut, das die ärztliche Hoffnung auf möglichste Lebensverlängerung in seiner Entscheidung überwiegt. "

Soweit es dokumentiert ist, war das Sterben von Noll kein glanzvolles Widerstehen gegen Medizin und Sterben. In der Endphase war trotz allen Morphiums der Schmerz überwältigend. ( das würde heute angesichts des Fortschritts der Palliativmedizin anders aussehen).

Es sind die wenigen, die im Sterben nicht ihrer Todesangst gänzlich ausgeliefert sind. Über dem Sterben stehen ,geht das? Vielleicht.Vom Sterben des 16ten Karmapa, einem hohen tibetischen geistlichen Würdenträger wird berichtet,trotz stärkster Schmerzen sei er in heiterer Gelassenheit gestorben. Absolute Ausnahmen.

Illich ist wohl auch ein Ausnahmefall der anderen Art. Er hatte eine Krebs-Variante, die nicht zwangsläufig zu einem baldigen Tod führt.

Wer nicht mit einer Vorstellung von Jenseits durch die Welt geht, nimmt von dieser wahrscheinlich schwerer Abschied.

Bemerkenswert an die beschriebenen Beispielen ist allerdings, dass man sich bei jeder Behandlung fragen sollte, für welches Leben man denn diese Entscheidung trifft? Ein menschenwürdiges Leben?

Nachzutragen Wolfgang Herrndorf:"Die letzten Einträge in seinem Blog zeugen erschütternd davon, wie der große Sprachkünstler immer mehr seine Worte verliert. "Ich bin nicht der Mann, der ich einmal war. Meine Freunde reden mit einem Zombie", schrieb er Anfang Juli. Und einige Tage später folgte ein Gedicht: "Niemand kommt an mich heran/bis an die Stunde meines Todes./Und auch dann wird niemand kommen./Nichts wird kommen, und es ist in meiner Hand." Der Autor schien zerissen, harderte schwer mit seinem Schicksal: "Jeden Abend der gleiche Kampf. Laß mich gehen, nein, laß mich gehen, nein. Laß mich", schrieb er wenige Wochen vor seinem Tod. Seinen letzten Beitrag verfasste er am 20. August dieses Jahres. Kathrin Passig verkündete ebenfalls via Twitter, dass der Blog schon bald als Buch erscheinen soll. "

Morgen erscheint es: 6.Dezember 2013

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